Samstagnacht und Sonntagmorgen oder Working days in a bicycle factory

Samstagnacht und Sonntagmorgen – sind das noch Zeiten in einer Woche, die für uns eine Besonderheit darstellen? Für mich waren sie es noch nie, da ich nie am Samstag besonders lang in eine Disco ging und dann den halben Sonntag zum Ausschlafen brauchte. Natürlich gab es Parties die lang dauerten, doch bildeten sie keine Regelmäßigkeiten, die sie in einen besonderen Kontext zu den anderen Wochentagen stellten. Anders sah dies noch in den 50er Jahren in den Arbeitervierteln aus. 48 Stunden Woche, Akkordarbeit in den Fabriken und die Freizeit beschränkte sich auf das Wochenende. Zwar hatten insbesondere in England die Gewerkschaften schon einiges für die Arbeiter erreicht aber immer noch gab es eine enorme Distanz zwischen den „wir da unten und ihr da oben“. Die soziale Entfremdung und die Klassenkonflikte wurden insbesondere von Schriftstellern wie John Osborn und Harold Pinter in ihren Werken verarbeitet. 1956 wird in England für diese Schriftsteller der Begriff der „Angry Young Men“ geprägt. Zu Ihnen wurde auch Alan Sillitoe gezahlt. Geboren 1928 in Nottingham, wuchs er in einfachen Verhältnissen auf. Sein Vater konnte die ersten Schreibversuche des jungen Alan in der Schulzeit nicht fördern, da er Analphabet war. Also scheint sein Weg mit dem Job in einer Fahrradfabrik in Nottingham vorgezeichnet, in der auch sein Vater Arbeit gefunden hat. 

Und hier beginnt die Verbindung zum Thema Fahrrad.

Für Sillitoe führt der Weg in den Kriegsjahren über die Royal Arforce, Einsätzen in Südostasien, Spanien und Frankreich nach der Diagnose von Tuberkulose in einen Militärkrankenhaus. Während des 16-monatigen Aufenthalts schreibt er die ersten Gedichte. 1953 beginnt er Gedichte und Romane an verschiedene Verlage zu senden ohne jedoch veröffentlicht zu werden. Erst mit dem Roman „The Adventures of Arthur Seaton, den er 1955 begann, fand er einen Verlag. Unter dem Titel „Saturdayevening and Sundaymornig“ wurde er 1958 veröffentlicht und brachte schlagartig den Erfolg.

Sillitoe kann in diesem Werk aus der eigenen Geschichte und seinen Erfahrungen als Arbeiter in der Fahrradfabrik schöpfen. Die Titelwahl des Romans steht für die Zweiteilung der Woche, ja die zwei Lebensphasen des Protagonisten Arthur Seaton. Die Woche über steht er an Drehbank in der Fahrradfabrik und am Wochenende wird das hart erarbeitete Geld ausgegeben. Die Zweiteilung lebt eine ganze Arbeiterschicht, zumindest in den jungen Jahren bis sie eine Familie gründen. Für Arthur stellt sie das Leben dar, aus dessen Rhythmus er auch nicht herauswill. Er hat sich sehr gut eingerichtet in dieser Abfolge. Seinen Akkord hat er fein austariert zwischen guten Einkommen und Akzeptanz des Vorarbeiters, die ihn vor einer Erhöhung des Akkordtaktes bewahrt. Der Samstagabend gehört dem Vergnügen zu dem der feine Anzug herausgeholt wird und das mit der Frau seines besten Kumpels in der Fabrik in Kneipen verbracht wird. Das er über lange Zeit mit Brenda ein Verhältnis haben kann, dass auch gegenüber den Kindern kein Geheimnis ist ohne das ihr Mann etwas erfährt, scheint zur Gesellschaftsstruktur dieser Zeit zu gehören. Der Sonntagmorgen dann besteht aus Ausschlafen, anschließend Flanieren oder Angeln. Athurs Lebensbeschreibung stellt die Situationsbeschreibung der jungen Arbeiterschaft der 50er Jahre in den Industriestandorten dar. 

Sillitoe stellt jedoch nicht die ideologische Weltsicht und Systemkritik in den Vordergrund sondern hebt die dokumentarisch-realistische Beschreibung des Lebens seines Protagonisten ohne Pathos in dessen Alltagssprache hervor. 

1960 wird der Roman von dem tschechisch-britischen Regisseur Karel Reisz mit Albert Finney in der Hauptrolle verfilmt. Die Szenen des Arbeitslebens Arthur Seaton’s werden in den Raleigh-Werken in Worksop gedreht. Schon im Roman läßt Sillitoe seine Figuren durch detailliert beschriebene Straßen und Stadtteile flanieren, die das Umfeld der Raleighwerke beschreiben. Ilkestonroad und Worksop bilden das Umfeld in dem sich Arthur’s Kneipenzüge abspielen. Die im Film verwandten Originalschauplätze stellen wertvolle Einblicke in die Arbeitswelt der damaligen Zeit im Allgemeinen und der immer noch wichtigen Fahrradproduktion im besonderen dar. Insbesondere die Szenen im Werk, die augenscheinlich während der laufenden Produktion gedreht wurden, haben dokumentarischen Charakter. Nach der Schicht fährt Arthur Seaton auf seinem Raleigh Rennrad in den Samstagabend.

Quelle: https://www.filmstarts.de/kritiken/28071/bilder/?cmediafile=21095191

Während der Samstagabend für wildes Leben steht, stellt der Sonntagmorgen den langsam reifenden Prozeß des Arthur Seaton zu Ruhe und einer stabilen vertrauten Beziehung dar. Er steht für den Arthur Seaton der langsam zu einer menschlichen Reife gelangt und sein Leben gestaltet.

Das realistische Milieudrama gehört zu den bekanntesten Werken des „Free Cinema“, Englands eigener „Nouvelle Vague“. Dem jungen Albert Finney brachte es den internationalen Durchbruch.

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