Olympic Games Paris 2024

„Wollen wir nicht zum Straßenrennen nach Paris fahren?“ Vor ein paar Wochen kam mein Sohn mit dem Vorschlag, mal wieder ein Vater-Sohn Wochenende zu machen und dafür bot sich das Straßenrennen der Männer an. Da noch ein paar andere Termine organisiert werden mussten, ging bis zur Buchung etwas Zeit ins Land, so dass wir weder Karten für den Start-Ziel Bereich noch ein günstiges Hotelzimmer ergatterten. Somit blieb die Alternative eines Wochenendes in Tübingen mit Tagestour nach Paris.
Aber auf die Idee waren mehr Stuttgarter gekommen: der TGV war ausgebucht. Im TGV gibt es nur Tickets mit Sitzplatz; eine Regelung, die ich heute mir wieder bei der Deutschen Bahn im ICE auch wünschen würde. Der Zug ist gesteckt voll und man kommt kaum zu seinem Sitzplatz. Aber zurück nach Paris.
Es bleibt leider nur die unökonomische Lösung mit dem Flieger. Laut Flugplan von Air France sind wir um 8.20 am Charles-De-Gaulle Airport. Das reicht gut, um rechtzeitig am Eiffelturm zum Start des Rennens zu sein. Kurz vorm Aufstehen erreicht uns die Nachricht, dass der Flug 35 Minuten Verspätung hat, da „die Maschine verspätet bereit gestellt wurde“. Das kennt man doch eigentlich nur von der Deutschen Bahn.

Nun denn. Kurz vor dem Start sind wir an der Seine – wie allerdings 10.000 andere schon vor uns. Dichte Menschenmengen stehen an der Strecke so dass wir nur eine dichte Gruppe Fahrradhelme an uns vorbeiziehen sehen. Aber Wetter und Stimmung entschädigen schon mal.

Nach dem Zwischenstopp beim Standert-Pop-Up Store und hervorragendem französischen 3-Gänge Mittagsmenü suchen wir einen Platz am Montmartre. Aber die Freunde in orange und die Fans aus Belgien sind anscheinend schon seit Stunden dort und haben die besten Plätze belegt.
Wir finden noch einen Platz in zweiter Reihe auf der Innenseite einer Kurve an der Abfahrtsstrecke.
Zwar kommen die Fahrer an dieser Stelle dreimal vorbei, haben aber schon wieder ordentlich Speed drauf. Aber wir sind ja auch dort, um die Stimmung zu spüren.
Bevor die ersten Fahrer die Stelle passieren wird jedes Polizeimotorrad, jede zu Fuß gehende Ordnungskraft und jedes Servicefahrzeug mit Applaus und Klatschern begrüßt.
Dann sausen die ersten Fahrer vorbei. „Allez le bleu“ und Remco-Remco-Rufe wechseln sich ab. Damit ist klar, das die Belgier und die Franzosen in der Spitzengruppe vertreten sind. Dann rauscht eine größere Gruppe Fahrer vorbei. Ich suche nach Girmay. Und wo sind Schachmann und Nils Politt?

Vielleicht erkenne ich sie in der nächsten Runde.
Das restliche Feld ist stark auseinander gezogen. Einzelfahrer und zweier-und dreier-Gruppen fahren vorbei. Dann entsteht eine größere Pause. Viele schauen parallel Lifestream und jede Platzveränderung im Spitzenfeld wird mit entsprechenden Rufen begleitet.
Remco Evenepoel saust als erster vorbei. Wie ein Lauffeuer wird er von den belgischen Fans mit ihren Remco – Remco-Rufen begleitet um sofort danach von den Franzosen mit Allez le bleu abgelöst zu werden. Die deutschen Fans sehen etwas verloren aus, nachdem Politt und Schachmann auf Positionen ausgemacht werden, die man als „unter ferner liefen“ bezeichnen kann. In dieser Runde entdecke ich auch Girmay und den Schweden Soderqvist. Zumindest war Schachmann deutlich vor diesen beiden aber Nils Politt läßt auf sich warten. Wie ich später beim Zusammenschnitt in der Mediathelk sehe, war Politt lange Zeit in der Spitzengruppe, ist aber vor Montmartre deutlich zurück gefallen.


Dann die dritte Runde. Vorne scheint sich nichts geändert zu haben: Evenepoel als erster und dann ein Franzose, der von ihren Landsleuten im Gegensatz zu mir sofort identifiziert wird und entsprechenden „Allez-Rufen angefeuert wird. In der nächsten Verfolgergruppe auch der Ire Ben Healy, den ich gerne auf den ersten Plätzen sehen würde. Nachdem Schachmann und der größte Teil des Feldes durch sind, Polin kommt eine gefühlte Ewigkeit später, packt eine Frau neben mir ihre Deutschlandfahne etwas enttäuscht ein. Sie ist kaum zum Einsatz gekommen bei diesem Rennen.
Aber ein paar Fahrer müssten doch noch kommen und den spannenden Teil des Rennens bekommen wir nur durch die Rufe der Belgier und Franzosen mit, da auf unseren Handys der Lifestream nicht läuft.
Die Ordner geben den Übergang über die Strecke noch nicht frei und ich werde langsam etwas nervös. Ohne über die Strecke kommen wir nicht zur nächsten Metro-Station und damit zum Flughafen. Auch hat Air France diesmal keine Verspätung angekündigt. Als mehr und mehr Fans einfach über die Absperrgitter Kletter und abwandern, haben die Ordner ein einsehen.

Massen von Menschen mit den unterschiedlichen Nationalflaggen über dem Rücken steigen die steilen Treppen vom Montmartre herab. Paris scheint an diesem Tag eine einzige gut besuchte Fußgängerzone. Wir erreichen Gare du Nord und quetschen uns in den RER. Der Zug ist so gesteckt voll, dass ich nicht umfallen kann. Im Waggon steht die heiße Luft und das Wasser läuft mir nur so am Körper herunter. So kann ich etwas von dem Schweiß der Fahrer erahnen, auch ohne mich zu bewegen.

Der Flieger geht in sanftem Bogen über das Stadion, in dem gerade die Leichtathleten ihren zweiten Wettkampftag absolvieren. Hinter uns verdunkelt sich langsam der Himmel und über den Wolken kommt mir Reinhard Mey in den Sinn.

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