Vor ca. 3 Jahren hatte sich mein Sohn ein schönes Bianchi in Celeste gekauft. Es war zum Singelspeed umgebaut und wir hatten es, wie es der Zufall es wollte, gleich bei mir um die Straßenecke per Ebay-Kleinanzeigen gefunden. Es hatte zwar ein paar Lackabplatzer, war aber ansonsten schön aufgebaut. Der braune Ledersattel und das dazu passende Lenkerband sowie die Bouwdenzughüllen in Chromoptik machte es unverwechselbar.
Nicht unverwechselbar genug, dass es Fahrraddieben (den Film hab ich immer noch nicht gesehen) nicht lohnend erschien über eine Mauer aufs Grundstück zu gelangen und das schöne Singelspeed seiner Kette zu entledigen. Ärgerlich, aber nicht abzuändern. Wer weiß wo die Teile ihren Einsatz finden oder in welchem Land das Rad nun vor sich hinrollt. Da wir beide auf allen Ebay-Kanälen Suchagenten zu Bianchi-Rädern geschaltet hatten, dürfte zumindest das komplette Rad über diese Plattformen nicht an uns vorbei gegangen sein.
Das ist jetzt ein knappes Jahr her. Trotz seines Cyclocross und des Pinarello-Rennrades fehlt etwas nettes für die Stadt. Also hab ich den Vorschlag gemacht, ein Singelspeed auf Basis eines Rennradrahmens aufzubauen. Ein paar Tage später lief mir ein vergleichsweise günstiger Rahmen über den Weg. Das Rohrmaterial Columbus Aelle versprach solide Qualität und passables Gewicht. Der Rahmen schien wenig Kratzer zu haben und pearlwhite lässt viele Möglichkeiten der weiteren Farbgestaltung offen.
Staiger Racing jedoch löst nicht gerade Prickeln aus. Aber mit ihm sollte schließlich nicht irgendeine L’Eroica gefahren, sondern der Alltag in der Großstadt gemeistert werden. Der Zuschlag erfolgte zum akzeptablen Preis und nun kann der Aufbau beginnen.
Als der Rahmen vor mir stand, machte mich die Marke jedoch neugierig. Ich erinnerte mich daran, dass mir aus meiner Stuttgarter Zeit ein Opel-Händler mit gleichem Namen im Gedächtnis geblieben ist.
Und siehe da, die Verwandtschaft stimmte. Die Ursprünge des heutigen Autohauses gehen tatsächlich auf ein Fahrradgeschäft zurück, das später neben der Produktion von Fahrrädern sogar Motorräder und Autos fertigte.
Paul Steiger wurde bereits als 21-jähriger im Jahr 1897 erstmals Württembergischer Meister im Radrennsport. Bereits früh erkannte er, dass ein großer Zweiradmarkt parallel zur beginnenden Motorisierung in Deutschland entstand. 1898 eröffnete er in der Tübinger Straße in Stuttgart ein Fahrradgeschäft, das bereits 1899 durch den Zukauf eines Fahrrad- und Zubehörgroßhandels erweitert wurde. Im gleichen Jahr begann er darüber hinaus mit dem Vertrieb von u. a. Renault-Automobilen. Die Generalvertretung von Opel-Fahrzeugen im Königreich Württemberg folgte ein Jahr später.
Wie viele Entwicklungen in Unternehmen, unterbrach auch bei Steiger der erste Weltkrieg die Weiterentwicklung des Kerngeschäftes. Der Autohandel kam in der Folge zum Erliegen. Nur das Geschäft mit Fahrrädern und Zubehör lief weiter. 1920 wurden die beiden Tätigkeitsbereiche aufgegliedert. Den Fahrradbereich übernahm die Staiger Großhandels Gmbh. Ab diesem Zeitpunkt laufen die beiden Geschäftsbereiche getrennt. Der Automobilbereich soll uns an dieser Stelle nicht weiter interessieren; nur noch soviel: Paul Staiger startete in den Folgejahren mit einem Staiger-Sportwagen bei Autorennen.
Auch der zweite Weltkrieg läßt das Unternehmen leiden. Nicht nur die Zerstörung durch Bombentreffer machten dem Unternehmen zu schaffen, ihnen folgte die Beschlagnahmung durch die Besatzungsmacht. Bereits 1948 jedoch konnte die Firma als Staiger Großhandels KG neu gegründet werden. In den 1950er Jahren machten sich Staiger-Fahrräder einen Namen als solide Fahrzeuge. Bis in die 60er Jahre entstanden Filialen und Auslieferungslager im süddeutschen Raum. 1982 erfolgte die Umsiedelung nach Gerlingen bei Stuttgart. 1987 wurde das Fahrradvertriebsnetz konsequent ausgeweitet und von da die ganze Bundesrepublik beliefert. 1988 erfolgte dann die Übernahme durch die E. Wiener GmbH & Co. KG in Schweinfurt und damit wurde auch die Produktion nach Schweinfurt verlegt. Die beiden Marken der Wiener GmbH, Winora und Staiger gingen 1997 auf die Winora-Staiger GmbH über.
Die E. Wiener GmbH wurde übrigens ebenfalls von einem Radrennfahrer 1914 gegründet. Engelbert Wiener stellte Fahrräder durch Einzelmontage her und baute auch einen Vertrieb auf. Dieses mündete 1918 in eine erste Fahrradgroßhandlung in Schweinfurt. 1956 übernahm der Enkel des Firmengründers die Firma. Zu diesem Zeitpunkt wurden bereits rund 6000 Fahrräder pro Jahr produziert, so dass der Aufbau einer neuen Fabrik mit Fließbandsystem nur folgerichtig war. 1997 wurde die Firma an die Derby Cycle Corporation, Cloppenburg, angeschlossen. Im Jahre 2002 wurde die Winora Group von der Accell Group in Heerenveen, Niederlande übernommen.
Soviel zur Firmengeschichte doch leider wenig zu den gebauten Rädern. Das der Rahmen, dort wo normalerweise die Rahmennummer steht nur die Rahmenhöhe 59 aufweist, macht um so mehr neugierig. Alle Rechechen jedoch brachten keine weiteren Informationen. Auch in diversen Internetforen werden Steiger Rennräder eher mit gerümpfter Nase betrachtet. Es ist halt etwas Schwäbisches und kein edler italienischer Renner.
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