Letztes Jahr im Sommer schaute ich mal wieder in der Calenberger Radkultur vorbei. Rafael hatte immer wieder interessante Räder im Programm und stand mir immer mit Rat und Tat zur Seite, wenn bei der Restaurierung eines Rennrades ein Problem auftauchte. Jüngst hatte er mir gerade einen schönen Shimano Steuerkopf in meinen Vitus 979 gebaut.
An diesem Tag zeigte er mir ein paar Bauer-Räder, die jedoch nur noch teilweise komplett waren. Ein Tourenrad sogar noch im Original-Karton. Er wollte die Räder gerne verkaufen. Sie passten nicht recht in das sonstige Portfolio der hauptsächlich italienische Stahlrenner. Platznot kam auch noch dazu.
Mir sagte zu diesem Zeitpunkt der Name Bauer nichts und ich sagte zu, es mir zu überlegen. Die Zeit verging und andere Projekte namen meine Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch. So kam es, dass ich mich erst zum Herbst mit dem Thema Bauer wieder befassen konnte. Die ersten Recherchen klangen ganz spannend. Bauer war eine Fahrradfabrik aus Klein-Auheim (1911-1968), heute ein Stadtteil von Hanau. Hier produzierte das Werk von 1922 bis 1968 Fahrräder, Mopeds und Motorräder. Den Schwerpunkt bildeten jedoch die rund als drei Millionen Fahrräder die in 70 Länder verkauft wurden. Die Metallbauwerke Ludwig Bauer & Co wurden 1911 gegründet und produzierten Fahrräder aller Bauarten. Den Hauptteil bildeten Tourenräder aber auch Lasten- und Rennräder verließen die Werkshallen in Klein Auheim bis zum Konkurs im Jahr 1968. Und eben zwei dieser Rennräder warteten in Hannover auf meine Entscheidung. Als ich wieder bei Rafael vorbeischaute um mit ihm über den Preis für das „Paket“ Bauer zu verhandeln, hatte sich der Bestand schon um ein Drittel dezimiert. Das Braun-goldmetallicfarbene Rennrad war bereits verkauft und auch die Laufräder des blauen Bauer Sport hatten schon einen anderen Nutzer gefunden. Wir wurden uns über den Rest schnell einig und so fanden zwei Bauer Fragmente den Weg in meine Sammlung. Es galt jetzt etwas mehr über die Räder und den Hersteller in Erfahrung zu bringen. Zuerst fand ich heraus, dass das Tourenrad im Originalkarton aus der Berliner Senatsreserve stammte. Nach der ersten Luftbrücke hatte der Berliner Senat beschlossen wichtige Produkte vorzuhalten um bei einer erneuten Blockade die Notversorgung sicher zu stellen. Dazu gehörten auch 5.000 Fahrräder um Bedienstete des Landes mobil zu halten wenn die Treibstoffreserven knapp würden. Doch dazu mehr, wenn das Tourenrad fertiggestellt ist.
Die Rennräder von Bauer gab es in unterschiedlichen Ausführungen. Die Besten wurden seit 1952 als „Weltmeisterrad“ vermarktet. Heinz Müller wurde in diesem Jahr mit einem Bauer Supersport Straßenweltmeister. Auch in späteren Jahren fuhren immer wieder Profis auf Bauer Rennrädern. Bis in die 50er Jahre unterhielt die Marke ein eigenes Rennteam. Günter Pankoke fuhr auf Bauer die Tour de France. Auch der 7-fache Deutsche Meister Ludwig Hörmeyer fuhr auf Bauer.
Mein Bauer Sport verfügt über Anlötteile für Schutzbleche und Dynamo, so dass es als Straßenrad im Alltag gefahren wurde. Das Steuerkopfschild weist bereits stolz in Gold die Zahl 50 auf, somit muss es aus dem Zeitraum zwischen der 50-Jahrfeier 1961 und dem Konkurs 1968 stammen. Weitere Recherchen der Rahmennummer auf Fahrradsammler.de grenzen das Baujahr auf Ende 1963/ Anfang 64 ein.
Die Schaltung stammt von Huret. Der hintere Umwerfer weist den Schriftzug Svelto auf. Huret brachte die Svelto 1963 heraus, was das Baujahr des Rades bestätigt. Die Svelto war eine einfache, kostengünstig zu produzierende Schaltung, die in der Kombination mit den weiteren Huret-Bauteilen gut arbeitete, sich aber durch die Konstruktion während ihrer Nutzungszeit verzog und an Präzision verlor.
Der Vorbau von Philippe weist schöne Pantos auf. Es handelt sich um einen Grand Sport aus Alluminium. Die Bremsen von Altenburger stellen ein typisches Bauteil der Zeit dar. Karl Altenburger gründete 1940 die gleichnamige Firma und stellte neben Rennradbremsen auch Bremshebel, Gangschaltungen und Felgen her. Die Bremsen wurden auch von namhaften Rennradproduzenten wie Bianchi verbaut. Karl Altenburger war in seinen jungen Jahren selbst erfolgreicher Radrennfahrer.
Das Bauer Sport war ursprünglich ein Tourenrad und wurde wohl direkt oder etwas später auf Rennrad umgerüstet. Bei dieser Gelegenheit muss ich Jörg Schulisch von der Mopedscheune Heigenbrücken danken. Er ist DER Spezialist bei Bauerrädern und verfügt neben zahlreichen Rädern auch über einen enormen Fundus an Unterlagen.
Nun musste das Rad um die fehlenden Komponenten ergänzt werden. Auf der Retro Fietsenbeurse in Dessel fand ich die stimmigen Teile. Ein Laufradsatz mit Flügelmuttern schien mir gut geeignet. Durchaus passend für den 60er Jahre Renner. Die Normandy Sport vom Maillard ist eine 36-Loch Hochflanschnabe und wurde in diesem Fall mit Steckachsen inklusive Huret Flügelmuttern ausgestattet.
Die Sattelstütze musste erst einmal einer modernen Ausführung weichen um einen braunen Wildleder Selle Italia aufzunehmen. Er passt sehr schön zu den bronzefarbenen Banderolen am Rahmen. Nun muss das Bauer Sport gesäubert und eingestellt werden und dann kann es an den ersten schönen Tagen auf die Piste.