Kalmit Klapprad Cup 2019

Als wir am Freitagabend mit dem Auto schon mal die Strecke auf die Kalmit hochfuhren, kamen mir Zweifel, ob es die richtige Entscheidung war, mit einem Klapprad ohne Schaltung auf den zweithöchsten Berg der Pfalz zu fahren. Aber von Anfang an.

Irgendwann im letzten Jahr stieß ich auf die Internetseite des Pfälzer-Klappvereins. Welch skurriler Verein, der sich zum Ziel gesetzt hatte, dem Kult des Klapprades aus den 70ern zu frönen. Die Mitglieder taten dieses mit einem so ernst gemeinten Humor, dass ich tiefer in die Seiten eindrang. Vom Pfälzer Klappverein ist es nur eine Kettenblattumdrehug zum Kalmit Klapprad Cup. Jedes Jahr am ersten Wochenende im September startet eine immer größer werdende Gemeinde von Klapprad-Jüngern und – Verehrerinnen um mit den Juwelen der Radbaukunst, Klappräder ohne Gangschaltung auf 20“-Bereifung, einen Vergleich der Fahrkunst auszutragen. War es eine gewisse Scham, in Zeiten aufkommender Carbon-Hightech-Renner mit zwei Dutzend Gängen auf Rädern mit Reifen in Kinderkarrengröße zu fahren oder einfach der Wunsch, über die Preise für Schnelligkeit hinaus noch die Fantasie der Fahrerinnen herauszufordern? Jedenfalls musste ein Motto für das Rennen her, dass in Zeiten der digitalen Farbfotografie dem Bilderrausch der Betrachter keine Grenzen setzt. Kurzum: Bilder und Videos waren einfach zu köstlich um sich dieses Ereignis entgehen zu lassen. Nach Themen wie „Rotkäppchen strampelt sich einen bösen Wolf“, „Menschen, Tiere und Scharniere“ oder „Junge schalt nie wieder“ war die Entscheidung klar: da wollten wir dabei sein.
Nun waren zwei Dinge gefordert:
1. Geduld bis der Klapp-Män das Motto für 2019 in seiner Weisheit gefunden hat und
2. Klappräder ohne Schaltung zu suchen, da alle Klapp-, Falt- und Steckräder in meiner Sammlung über 2 bis 6 Gänge verfügten.
Das Letztere heizte natürlich meinen Sammlertrieb an, das Erstere war schwieriger zu ertragen, da Geduld nicht zu meinen Stärken gehört.

Kalmit-Klapp-Cup003Ein erstes Objekt der Begierde tat sich dann im Dezember des letzten Jahres in Berlin auf, ein HWE Klapprad der Heidemann-Werke aus Einbeck in schönstem Kupfer-Metallic. Ein HWE stand schon längere Zeit auf meiner Nice-to-have-Liste. Nahezu komplett aus Vierkantrohren gefertigt, unterscheidet es sich darüber hinaus noch durch die Doppelgabel im Bonanza-Stil von den Ikonen 70er. Warum ist eigentlich nicht schon viel früher ein Unternehmer auf die Idee gekommen, die Rahmen aus Vierkantrohren zu bauen. Die lassen sich doch wesentlich leichter aneinander braten. Nur bei der Lenkstande hörte die Ingenieurskunst auf. Sie ist aus langweiligen Rundrohren gefertigt.
Das zweite Objekt in ähnlicher Farbe tauchte kurze Zeit später auf einer der einschlägigen Plattformen im Netz auf. In seiner Form ganz klassisch, so wie Lieschen Müller sich halt ein Klapprad vorstellt, erregte es wegen des Herstellers aus der Region mein Interesse. Die Firma Kalkhoff baute seit 1919 in Cloppenburg Fahrräder in jeglicher Form, bis das Unternehmen 1986 in die Insolvenz ging. Heute wird der Name von der Derby-Cykel-Group weitergeführt. Aber dazu an anderer Stelle mehr.

Das Frühjahr nahte und der Klapp-Män ging ins Konklave um das Motto des Jahres 2019 zu ersinnen. Der Findungsprozess zog sich. Im Netz kursierten Gerüchte, das den Machern des Kalmit Klapprad Cup nichts einfällt. Die Spannung steigt und dann auch endlich weißer Rauch aus der Klapp-Rad-Kapelle in der Pfalz auf: Fix & Foxi – im Comic klappt die Welt. Das Septemberwochenende war gerettet. Für mich als alter Fix & Foxi-Fan gab es kein Zurück mehr und auch die Verkleidung war klar: Fix & Foxi. Schließlich hatte ich doch schon in den 60ern in unserer Straße einen Fix&Foxi-Club gegründet und alle Spielkammeraden, ob sie wollten oder nicht, zu Klubmitgliedern gemacht, was durch das Ausstellen entsprechender Klubausweise besiegelt wurde. Blieb nur noch eine Hürde, die Anmeldung. Diese schien noch spannend zu werden, da in den Netzen dieser Welt suggeriert wurde, dass die 1200 Plätze heißer umkämpft sein werden als der Anstieg auf die Kalmit. Allerdings war ich überzeugt die begehrten Plätze zu erhalten und buchte schon mal Hotelzimmer.
Der Tag der Anmeldung nahte – und wurde verschoben. Dummerweise auf einen Dienstag. Da hatte ich doch abends eine Sitzung. Konnte ich die Sitzung einfach unterbrechen? War es möglich einen Toilettenbesuch solange auszudehnen, bis der Anmeldeprozeß durchlaufen war. Was wurde mir in der Legitimationsphase alles abverlangt? Musste ich vielleicht schon mein Kostüm tragen um durch ein Livebild zu belegen, dass ich der gestellten Aufgabe gewachsen war? Es löste sich, wie so vieles im Leben: der Termin wurde erneut verschoben auf den nächsten Sonntag. Da hatten wir Gäste und die mussten einfach Verständnis für die wichtigen Dinge im Leben haben. 21:10, geschafft. Die Bestätigungsmail vom Klapp-Män lässt alle Spannung von mir abfallen und ich kann zum ersten Mal an diesem Abend den Gesprächen der Gäste lauschen und nehme erst war, wer überhaupt da ist.

Das Septemberwochenende nähert sich. Das Kostüm ist fertig, die Räder in Form (dachte ich), der Mietwagen gechartert und der Wetterbericht: Regen. Das wird uns nicht aufhalten. Die Fahrt läuft fast ohne Stau uns so sind die 420 km an dem Nachmittag gut zu bewältigen. In Maikammer stellt sich die Frage: erst Hotel oder erst Strecke. Wir entscheiden uns, erstmal die Strecke zu erkunden und fahren mit dem Wagen auf die Kalmit. OhhK. Ich freu mich schon auf die Abfahrt. Wo steht der Bus nach oben? Knapp 6 km und 450 Höhenmeter mit einem norddeutschen Klapprad mit norddeutscher Flachlandübersetzung.

Auf dem Startgelände ist schon eine Menge los. Wir kommen mit zwei Österreichern ins Gespräch (und damit ist die Hoffnung auf die weiteste Anreise auch futsch). Auch sie haben die Herausforderung etwas anders eingeschätzt. Wir verabschieden uns ins Hotel mit einem falsch eingeschätzten: „Wir sehen uns morgen“, denn noch sind wir ja in Ziviel.

Ab 11 Uhr Startnummernausgabe. Pünktlich beim Verlassen des Hotels beginnt es zu nieseln. Auf dem Weg vom Hotel zum Startplatz steigt die Klappraddichte enorm. Ein Hesse lässt die Scheibe seines Benz herunterfahren: Wo is denn die Ahnmeldung? Ich wollt erst großzugig sagen, fahr mir einfach nach, aber selbst an dieser Steigung erreiche ich mit meinem Klappi eine Geschwindigkeit, die einen Benz wahrscheinlich zum Abwürgen bringt. Immer grad aus ist also meine Antwort.

Der Startplatz füllt sich. Meine ganze Kindheit begegnet mir wieder bei der Startnummernausgabe. Die Daltons und Lucky Luke, natürlich mit Jolly Jumper. Die Vielzahl der Panzerknacker lassen mich meine Geldbörse etwas tiefer in die Tasche drücken. Natürlich Mickey Mouse, Minni, Fix&Foxi. Der Blaue Ameisenbär Elise und das Stinktier sind natürlich auch vertreten. Ein paar Tim’s mit Struppi haben natürlich Kaptain Heddock dabei. Übrigens ist Kaptain Haddock der einzige, der sich über das Wetter freut. Mit seinem Dufflecoat wäre er bei den 35 ° der letzten Tage hoffnungslos eingegangen. Anders Fred Feuerstein und Wilma, deren authentisches Kostüm eindeutig auf wärmeres Wetter eingestellt ist. Wilma hat ihr Klapprad sogar zum Steinzeitmobil umgebaut. Auch bei einer Variante der Daltons, die vier Klappräder miteinander verbunden haben und ein Gefängnis drumherum gebaut haben, frage ich mich, wie man damit diese Steigung meistert. Aber auch die Kindheit meines Sohnes ist vertreten. Die Teletabbies laufen in ihrer ganzen pastelligen Farbenpracht auf. Fotomotive wohin man schaut. Mit Biene Maja und Flip hat eine Serie sogar den Generationswechsel zwischen Vater und Sohn geschafft.

Alle Teilnehmer zum Fotoshooting bitte und das ist schon eine Mammutaufgabe bei 1100 Teilnehmern. Dann endlich die Aufstellung zum Start. Die Sonne lässt sich pünktlich zum Startschuss blicken und es geht los. Ich bin irgendwo zwischen Daltons und Poppey eingeklemmt.

Die Startklappe ist nur zu erahnen und irgendwann setzt sich der Tross in Bewegung. Ich merke schnell, dass meine Übersetzung in der Pfalz nicht die richtige Wahl ist. In der Menge komme ich nicht einmal richtig in Schwung um wenigstens die geringe Anfangssteigung zu meistern. Wie soll das enden?

Langsam lockert sich der Tross auf. Ich versuche Meter zu machen und in einen runden Tritt zu kommen, doch hinter der nächsten Kurve erhöhen sich die Prozente. Ja, man darf auch zwischendurch schieben und nein ich werde nicht der erste sein, der absteigt! Doch irgendwann ist es soweit. Es geht nicht mehr. Bis hinter die nächste Kurve wird geschoben. Bis dahin habe ich mir schon ein paar Sprüche anhören müsse. „Na, noch die Originalübersetzung drauf? Anfängerfehler:“ Ok, jetzt wieder in die Pedale getreten. Nach jedem Stück schieben, kann ich aber auch wieder ein paar Klappis überholen. Und irgendwann kommt mir die Abzweigung bekannt vor. Das Ziel ist nicht mehr fern. Die Zähne zusammenbeißen. Im Ziel will ich schließlich fahrend ankommen. Ich bin irgendwo im hinteren Mittelfeld aber am Ziel. Sobald ich zuhause bin werde ich mir andere Ritzel besorgen.

Inzwischen wird der Andrang auf dem Zielplatz enorm.
Langsam mache ich mich an die Abfahrt. Die Empfehlung der Veranstalter abwärts unter dem absingen schmutziger Lieder zu schieben, ignoriere nicht nur ich. Ich stehe quasi auf dem Rücktritt und nutze zwischendurch zur Verstärkung die fordere Felgenbremse.

Nach zweidrittel der Strecke steigt mir der Geruch von zu heißem fett in die Nase, also mehr auf die Felgenbremse Baujahr 70 verlassen. Ich komme gut im Startbereich wieder an. Alle sind froh wieder unten zu sein, eine große Weinschorle sauer im Dubbeglas ist die rechte Belohnung. Bei dem sonnigen Wetter wirken die Kostüme noch besser.

Die Siegerehrung naht. Zwischendurch immer wieder Filmteams. Die Preise für die besten Kostüme geben Anreiz fürs nächste Jahr und das Alter des ältesten Teilnehmers eröffnen Perspektiven.

Im Festzelt beginnt die Party aber wir machen uns langsam auf den Weg ins Hotel mit dem festen Vorsatz am ersten Wochenende im September 2020 ruft wieder die Kalmit, mit welchem Thema auch immer.

2 Kommentare zu „Kalmit Klapprad Cup 2019

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