Ein Umweg über Nijmegen lohnt sich. Das konnte ich auf der Rückfahrt von der Radbeurs in Dessel nach längerer Zeit wieder feststellen. War ich im vorletzten Jahr noch ohne Seitenblick an Nijmegen vorbeigefahren, so hatten wir in diesem Jahr unsere Zeit so eingeteilt, dass wir dem Velorama einen Besuch abstatten konnten.
Direkt an der Waal gelegen ist das National Fietsmuseum Velorama in einem alten, vermutlich Kontorhaus untergebracht. Zwar hätte das Wetter auch zu einem Uferspaziergang an der Waal eingeladen aber die Öffnungszeit bis 17.00 Uhr und das Dreigeschossige Gebäude ließen erwarten, dass die Zeit nur knapp reichen würde um die Exponate ausgiebig zu bestaunen.
Und „bestaunen“ war der richtige Ausdruck, wie sich gleich beim Betreten des Museums herausstellte. Das Gebäude ist vom Erdgeschoss bis unter das Dach über 3 ½ Etagen fast voll mit Exponaten. Wir beginnen bei den Draisinen, den Laufmaschinen des Herrn von Drais, die hier in zahlreichen Varianten zu sehen sind. Genau diese Variantenvielfalt war es, die Herr von Drais nicht geplant hatte. Er hatte sich erhofft, von den Lizenzgebühren nicht nur seine Auslagen erstattet zu bekommen, sondern auskömmlich leben zu können. Wir wissen, dass es anders kam. In den europäischen Nachbarländern bauten Tischler und Schmiede die Laufmaschienen fleißig nach, ohne den Herrn von Drais zu entlohnen. Auch wenn von Drais annahm mit kleinen Ungenauigkeiten in den Zeichnungen genug „Kopierschutz“ eingebaut zu haben, ließen sich die Nachbauer davon nicht entmutigen. Über so kleine Ungenauigkeiten wie z.B. fehlenden Bremsen sah man großmütig hinweg.
Doch schon bald ging die Entwicklung mit riesen Schritten weiter, die hier im Erdgeschoß in zahlreichen Varianten vertreten ist. Die Entwicklung von ersten Micheaux- Maschinen über das Hochrad ist mit einigen wunderschönen Ausstellungsstücken vertreten. Man kann sich schon in den schönen Details verlieren, Manufakturarbeit vom Feinsten. Messing und Kupfer glänzen.
Da nur die sportlichen Herren die Pennyfarhtings bestiegen, musste für das schöne Geschlecht eine Lösung gefunden werden ohne dass die Weiblichkeit auf die züchtige Kleidung verzichten muss. Tricycles waren die Lösung um die Damen an der neuen Mobilität teilhaben zu lassen. Mehr oder weniger bequeme Sitzpositionen, drei Räder in verschiedensten Anordnungen führen zu den kuriosesten Antriebsweisen. Man muss größte Hochachtung vor den Nutzerinnen haben die diese Maschinen mit Gewichten von sicherlich mehr als 50 Kilo über Kopfsteinpflaster und Schotterwege vorangebracht haben. Die Ära der Tri- und Quattrocycles setzt sich auch im ersten Obergeschoß in einer Menge fort, die mir in dieser Variantenzahl und Qualität in keinem anderen Museum bekannt ist.
Zurück zu dem Gewicht der Gefährte. Es dauerte nicht lange bis das starke Geschlecht den Damen zu Hilfe kam. Soziables mit den Positionen nebeneinander, so dass man auch noch die Hand der Schönen ergreifen kann, wenn die Fahrt zu geschwind wird oder hintereinander, um ach die anderen Schönen zu grüßen, werden vorgestellt.
Der Weg zum Safety war ein fantasievoller und Variantenreicher. Wenn man diese Zwischenzeit der Hochräder, Velocipedes und Tricycles betrachtet und im Augenwinkel schon die ersten Safeties stehen sieht, fragt man sich warum dieser Aufwand wenn die Lösung doch so einfach ist.
Das Safety, zwei nahezu gleichgroße Räder, der Antrieb mittels Kette auf das Hinterrad, die Tretkurbel in ergonomischer Position unter dem Sattel und die Konstruktion für die Zukunft war geboren. Es gab in den ersten Jahren noch ein paar Varianten und Verirrungen aber bald setzte sich der Diamantrahmen durch, wie er bis heute ohne grundlegende Veränderungen fortbesteht. Wunderschöne Rover und andere Ahnen des Rades sind zu sehen.
Im oberen Geschoß dann gibt es noch Ausflüge zur Königlichen Familie, Weltreisenden und Radprofis. Das Rad von Wim van Est bringt einen Hauch der Tour de France in das Dachgeschoß. Klappräder, Kinderräder, Accessoires und eine umfangreiche Sammlung von Fahrradbeleuchtung runden das Bild ab. Spannend ist noch die schmale Stiege in den Spitzboden.
Dort befindet sich eine komplett eingerichtete Fahrradwerkstatt aus den 1930er Jahren. Gesponsert wird das Museum übrigens u. a. von Gazelle – wen wundert es – ist Gazelle doch das Markenzeichen für Radverkehr und Lebensqualität in den Niederlanden. 17.00 Uhr nahte und wir mussten diese Zeitreise beenden. Schnell noch ein paar Bücher aus dem umfangreichen Angebot erstanden und wir stehen wieder an der Waal, mit der Überzeugung spätestens im nächsten Jahr mit mehr Zeit den Besuch zu wiederholen um genauer die einzelnen Ausstellungsstücke zu studieren.
Goil!
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