Die letzte Veranstaltung, die ich zum Thema Fahrrad besucht habe, war die kolektif bike fair in Berlin. Seit Februar sind wirklich alle Messen und Veranstaltungen ausgefallen. Keine Tweed Runs, kein German Folding-Bike-Open, keine Radrennveranstaltungen. Einsame Radtouren blieben, um das Hobby zu pflegen; und schrauben im Keller.
Da passte das neue Bicycle Quaterly genau hinein. Reiseberichte von einsamen Touren in Alaska und dem Versuch den Lockdown in Marokko abzuwarten passen in diese Zeit.
Lael Wilcox beschreibt ihre Touren durch Alaska über die letzten Jahre. Beginnend mit dem geliehenen Rad ihrer Mutter für die ersten Touren bis hin zu den Long Distance Races.
Aus Anchorage führen nur zwei Straßen hinaus, eine nach Norden und eine nach Süden. Allein schon diese Feststellung lässt Bilder aus alten Filmen der 50er Jahre entstehen. Sie hat sich jedoch mehr vorgenommen: Lael möchte alle Straßen Alaskas mit dem Fahrrad abfahren. Die absolute Zahl ist sicher deutlich niedriger als die Anzahl der Straßen z.B. in Niedersachsen aber die Länge machts. Ganz nebenbei fährt sie noch einige Langstreckenrenn wie das Fireweed (400 Meilen), ein 850 Meilen-Rennen in Israel oder die Tour Devide, ein self-supported MTB_Rennen von den Rockies bis nach Mexiko. Die Fotos von den Touren in Alaska sind faszinierend und machen Lust auf eine Reise dorthin, auch ohne Meilenrekorde aufstellen zu wollen.
Unter dem Titel „Race, Ride, Quarantine“ beschreibt Peter Gaskill seine Erfahrungen vom Atlas Mountain Race und wie ihn Covid 19 in Marokko überraschte. Das AMR ist ein self-supported Rennen über 1.150 km durch das Atlas und Anti-Atlas-Gebirge in Marokko. Von den 180 Startern beendeten 130 das Rennen. Peter schreibt „only“ aber ich denke, dass es unter den Bedingungen schon eine stattliche Zahl darstellt. Peter selbst gibt nach 350 km auf und fahrt in seinem Tempo eine dreitägige Tour zum Zielpunkt. Er beschreibt die begeisternde Atmosphäre an der finish-line, an der nach und nach die Fahrer einrollen und das Event mit einer farewell-party beendet wird. Peter ist aber von der Landschaft und den Menschen so begeistert, dass er noch eine Woche in Marokko für Touring dranhängt. Covid 19 hat seine Terminpläne in Spanien gerade komplett gelöscht und neben Land und Menschen hat er ein Faible für die marokkanische Küche entdeckt. Couscous aus der Tagine schmeckt vor Ort um Welten besser, als in Europa nachgekocht. Da nach dieser Woche sein Flug zurück wegen Corona gecancelt ist, werden noch ein paar Tage mehr Marokko daraus.
Natsuko Hirose fühlt sich in die Literatur von John le Carré versetzt bei ihrem Besuch von Fern-Bikes und Gramm-Tourpacking in einer alten Fabrik unweit der ehemaligen Berliner Mauer. Florian Flo Haeussler hatte ich bereits auf einer Berlin Bike Fair kennengelernt und seine Räder bewundern können. Der Bericht gibt nicht nur Einblicke in die Arbeit von Flo sondern zeigt auch atmosphärisch stimmige Bilder der Industrieetage, in der die Räder, gebaut für die Ferne, entstehen. Komplettiert können die Räder gleich nebenan bei Gramm-Tourpacking von Kristin Heil werden. Sie produziert maßgeschneiderte Taschen für das Bikepacking.
Wer dann noch mehr Bike-Tour-Luft einatmen möchte, für den stehen noch Tourberichte der Cascade-Foothills von Natsuko Hirose oder die Story von Jan Herne über die Route durch die Olympics westlich von Seattle als Lesestoff an.
Und für die Technik-Begeisterten gibt es noch Berichte über den Neuaufbau eines Jeff Lyon und einen Besuch bei RT Jansen, einem Ionier des amerikanischen Rahmenbaus.
Alles in Allem mal wieder ein vielseitiges Heft für „das vielseitigste Hobby der Welt“.
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