Radfahren soll ja etwas mit Sport zu tun haben. In früheren Zeiten war der Radsport weit verbreiteter als heute. Um 1900 lag der Radsport in der Publikumsgunst deutlich vor dem Fußball. Und heute? Heute sind Radsportveranstaltungen im Breitensport nicht mehr in nennenswerter Weise zu erleben. Auch von der Straße wurde der Radsport durch das Auto verdrängt. Steht doch die „Flüssigkeit des Verkehrs“ unter dem gesetzlichen Schutz der Straßenverkehrsordnung. Gemeint ist damit eigentlich nur der MIV (motorisierte Individualverkehr) mit dem Auto.
Wer schon mal versucht hat eine Straße für eine Sportveranstaltung auch nur für Stunden dem Verkehr zu entziehen, weiß welch Aufwand mit Umleitungen und Sperrmaßnahmen zu treiben ist. Für eine eintägige Veranstaltung zur Mobilität auf einem 900 m langen Straßenabschnitt, an der ich beteiligt war, schlugen die Sperrkosten mit fast 15.000 € zu Buche. Damit wird deutlich, warum kleine Vereine sich keine Straßenradsportveranstaltung mehr leisten können. Was bleibt sind Großveranstaltungen wie die Tour de France. Selbst die 6-Tage-Rennen können nur über das Begleitprogramm in Deutschland überleben. Fußballplätze hingegen werden vielfach durch Steuermittel subventioniert. Aber ich wollte heute eigentlich keine Grundsatzdiskussion Fußball vs. Radsport anstoßen, sondern auf ein gut 100 seitiges Büchlein aus dem Verlag Die Werkstatt hinweisen, obwohl genau das Verlagsprogramm mit fast ausschließlich Literatur zum Thema Fußball und nur einem Buch zum Radsport das oben geschilderte Problem wiederspiegelt. Aber nun zum Buch.
Das Heft 2 des 18. Jahrgangs der SportZeiten befasst sich mit der Geschichte des Radsports. Aufmerksam bin ich auf den Band auf der Seite des Altonaer Bicycle Clubs geworden. Lars Amenda, der Gastherausgeber dieses Bandes ist auch im ABC aktiv. Die Texte des Bandes gehen überwiegend zurück in die Zeit des Beginns des Fahrradenthusiasmus. David Birchall und Hugh Dauncey stellen einen Vergleich an, zwischen dem Anfield Bicycle Club von 1879, der bis heute existiert, und dem Véloce-club bordelais (1876 – 1891). An den Jahreszahlen erkennt man schon die sehr unterschiedliche Entwicklung, die die beiden Vereine genommen haben. Ausführlich werden die geschichtlichen Entwicklungen gegenübergestellt und bieten auch Anhaltspunkte für die Geschichtsforschung von Bicycle-Clubs und frühen Radsportvereinen in der eigenen Stadt.
Lars Amenda widmet sich den Superstars des Radsports um 1900, den Fliegern. Angehimmelt von tausenden Fans stellen Sie die Stars nicht nur der Sportwelt jener Zeit dar und gehörten zu den Großverdienern. Sie sind es, die die Basis für den Personenkult um Sportler mit Veranstaltungen, Autogrammkarten und Werbeveranstaltungen legen. Begünstigt wird diese Entwicklung durch die verbesserten Möglichkeiten der Presse, mit verbessertem Fotomaterial und schnellerer Berichterstattung.
Anneke-Susann Hackenbroich beleuchtet den Radsport in der DDR und zeigt an einem Fallbeispiel wie nicht nur Radsport im Spannungsfeld von staatlicher Kontrolle und Eigensinn funktionierte.
Lars Amenda wiederum holt eine in Deutschland fast vergessene Sportart, den Radball, wieder aus dem Fundus der Sportgeschichte und erläutert die Entstehung der Regeln und stellt maßgebliche Akteure vor.
Daneben gibt es Buchbesprechungen und Mitteilungen.
Insgesamt fundierte Texte, die mir den Anreiz zu weiteren Forschungen im regionalen Umfeld geben.

SportZeiten
Sport in Geschichte, Kultur und Gesellschaft
Heft 2, Jahrgang 18
Verlag Die Werkstatt
www.werkstatt-verlag.de
ISSN 1617-7606
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