Der Lack war ab – neue Kleider für mein TI Raleigh und FW Evans

In meiner Wohnung hängen und im Keller liegen noch so einige Projekte, die auf mehr Zeit für mein Hobby warten. Bei den Rahmen stellt sich oft die Frage lackieren oder nicht lackieren. Vielfach wird diese Frage ja schon als Glaubensfrage behandelt. In meiner Sammlung befinden sich Räder die komplett restauriert wurden wie mein Crescent von 1898, das in Amerika auf „ladenneu“ restauriert wurde oder Rahmen denen man das Alter ansieht, die aber auf jeden Fall so bleiben dürfen wie der Harry Rensch Rahmen von 1952/53.

Ich habe somit keine grundsätzlich einheitliche Meinung sonder entscheide diese Frage von Fall zu Fall oder besser gesagt von Rahmen zu Rahmen. Ein Faktor stellen für mich auch die Anbauteile dar. Zu einem neu lackierten Rahmen gehören für mich auch Anbauteile denen man die 40 Jahre Nutzung ansieht.

In England wird diese Frage übrigens wesentlich entspannter gesehen. Da wird ein Rahmen mit einigen Gebrauchsspuren wesentlich häufiger mit neuem Finish versehen. Dort stellt es für einen Rahmen, der z.B. von Bob Jackson oder anderen Rahmenbauern lackiert wurde durchaus eine Wertsteigerung dar und die Rahmenbauer verstehen es als Ehre und Herausforderung einen Rahmen eines Kollegen zu restaurieren.

Somit stehe ich mit den zwei britischen Rahmen, bei denen ich mich für einen Neulack entschieden hatte, durchaus in der Tradition der Insel. Der Ti-Raleigh Replik 12 Rahmen liegt schon ein paar Jahre bei mir und wartete auf eine Restaurierung. Er war auch wirklich übel zugerichtet. Ich hatte ihn in Frankreich gekauft und ihn auf den Bildern nicht so extrem verkratzt eingestuft. Er war mit Campagnolo Komponenten ausgestattet, die teilweise aber nicht ganz zeitgemäß eingestuft werden müssen und kam ohne Laufräder, Lenker und Sattel zu mir.

Der zweite Rahmen war ein Evans aus Mitte bis Ende 60er Jahre in einem dunklen Rot. Er wies deutlich weniger Kratzer auf, hatte dafür aber an einigen Stellen größere Lackschäden die auch erste Rostansätze aufwiesen. Entrosten und nachlackierten schien mir nicht der richtige Weg. Auch die Decals waren nicht mehr in gutem Zustand, so dass auch hier meine Entscheidung Neulackierung hieß.

Die Decals konnte ich alle bei HLloyd Deals in England erhalten. Die TI-Raleigh Decals konnte ich ja auf dem Rahmen identifizieren. Beim Evans war es nicht ganz so einfach. Mit Hilfe des Markenspezialisten im VCC fand ich auch die richtige Version. Die beiden Decal-Versionen unterscheiden sich nur in der Adresse, die auf dem Steuerkopf- und Sattelrohr-Decal angegeben ist und genau dieser Bereich war kaum noch lesbar.

Nun galt es nur noch den Lackierer meines Vertrauens zu finden. In den englischen Foren gab es immer wieder Tipps und Bilder von hervorragend restaurierten Rahmen. Besonders bei den älteren Rahmen faszinierten mich die Lug- und Boxlining-Ergebnisse. Aber der Versand nach England bietet sich seit dem Brexit nur noch an, wenn sozusagen gar nichts mehr geht, sprich eine solch spezielle Lackierung und besondere Decals benötigt werden, die auf dem Festland nicht erreicht werden. Darauf werde ich wohl bei meinem Mike Mullet noch zurückkommen müssen. In Osnabrück und Umgebung hatte ich bisher keinen Lackierbetrieb mit Fahrraderfahrung gefunden. Bisher hatte ich hier nur einen Betrieb für eine Pulverbeschichtung ausprobiert, doch das kam für diese beiden Rahmen nicht in Frage. Da kam mir mein Freund Werner zur Hilfe. Er hat ein Faible für Marschall-Rahmen und berichtete Mir, dass Uwe Marschall auch Restaurierungen durchführt. Da er in den nächsten Tagen sowieso zu Marschall Frameworks waren wollte, könnte er meine zwei Rahmen mitnehmen.

Ich schickte Uwe Marschall ein paar Fotos der Rahmen und in einem ausführlichen Telefonat wurden wir uns über die Ausführung einig. Mir war es wichtig, dass das Farbschema beim Raleigh absolut original erscheint und der Evans in einem möglichst ähnlichen dunklen Rot ausgeführt wird. Die Decals sollten unter einem Klarlack geschützt werden und eigentlich sollte der Evans gegenüber dem jetzigen Zustand noch ein Luglining in Gold erhalten. Alles kein Problem meinte Uwe Marschall – bis auf das Luglining. Ich entschied mich gegen das Luglining unter dem Klarlack und verschob die Entscheidung auf einen Zeitpunkt nach der Neulackierung.

Ein paar Wochen später erhielt ich die Meldung, dass meine Rahmen so gut wie fertig seien und wir verabredeten die Abholung am Möhnesee fürs Wochenende. Die Ausfahrt dorthin konnte noch mit anderen touristischen Besichtigungen kombiniert werden und somit lohnte sich die Fahrt auch für meine Frau.

Das Navi führte uns in ein Gewerbegebiet und zu einem Gelände, das sich deutlich von den anderen Standard-Gewerbebauten abhob. Grundstückseinfriedung und Gebäude in kompletter Holzbauweise, intensive Durchgrünung des Grundstücks und die Gebäudeanordnung, die eher an eine Ranch erinnerten, setzten den Betrieb von den anderen Unternehmen ab. Der Volvo vor dem Grundstück und der Marschall-Stern am Tor zeigten mir jedoch, dass wir richtig waren und ich konnte in die heiligen Hallen oder besser in die Lackierstube von Uwe Marschall eintreten. Auf knappem Raum hingen zahlreiche Rahmen, teilweise Aufträge, teilweise die eigenen Rahmen des Meisters.

Und dazwischen ein Ti Raleigh und ein FW Evans, sorry: MEIN Ti Raleigh und MEIN FW Evans.
Fast ertappte ich mich bei der Frage, ob ichmal über die Rahmen streichen dürfe, aber es waren ja meine Rahmen die da auf den Lackierständern positioniert waren. Schnell kamen wir insGespräch über unser Hobby, die Vorlieben bestimmter Marken und die Restaurierung. An einem schwedischen Crescent-Rahmen erläuterte mir Uwe Marschall, wie penibel er versucht den exakten Farbton anhand zeitgenössischer zu finden. Für so einen „Pepita-Crescent“, benannt nach dem schwarz-weißen Karomuster auf dem Oberrohr, würde ich sogar meine Ausschließlichkeit englischer Rahmenbauer aufweichen. Als unser Gespräch von Fahrrädern sich langsam auf das Weltklima und Politik ausweitete, musste ich mich dann doch mal langsam verabschieden um die Geduld meiner Frau nicht überzustrapazieren.

Weiter ging es nun mit zwei hervorragend lackierten Rahmen zu unserem touristischen Programm und anschließend heimwärts. Nun heißt es die passenden Komponenten suchen und die Rahmen nach und nach aufbauen. Mehr gibt es hier dann später zu meinen Projekten.

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