Classic-Cycles oder Hamburg Zufall I

Letztes Wochenende vor Weihnachten. Wir waren zu einem Geburtstag in Hamburg eingeladen. Vor dem Museumsbesuch eben noch zur Schanze, die restlichen Geschenke zu Weihnachten besorgen. Für dieses Wochenende hatte ich mir nichts in Punkto Fahrrad vorgenommen. Doch dann kam es anders. Auf dem Weg zur U-Bahnstation Feldstraße stehe ich plötzlich in einer Art Passage und links und rechts Fahrräder: Tourenräder, Hollandräder, Rennräder …

Bei der Entscheidung auf dem Rückweg nicht die Haltestelle Schanze sondern Feldstraße zu wählen muss mich eine innere Eingebung geführt haben. Nachdem ich mir an der Scheibe die Nase platt gedrückt habe bleibt nichts anderes übrig: ich muss hinein und das Museum muss warten. Raleigh, Gitane, Benotto…, aber auch Sparta 8-80, Herkules 2000 und andere Exoten warten teilweise noch auf die Aufarbeitung.

Stefan Jansa arbeitet in seinem Laden Classic Cycles Räder unterschiedlicher Genres auf und verkauft sie an Menschen die einfach ein Rad brauchen oder an Liebhaber die ein ganz bestimmtes Rad suchen. In der Regel sind es jedoch Menschen, die ein Rad kaufen um damit zu fahren. Das heisst im Schanzenviertel auch, das filigrane Schlauchreifen nicht das Material für den täglichen Straßenkampf darstellen. das ist auch der Grund warum das Gitane noch immer unter einer schützenden Staubschicht auf die Wiedererweckung wartet. Stefan ist es einfach zu schade, es von seinen Schlauchreifen zu lösen und stabileres Material aufzuziehen.

Wir kommen schnell ins Fachsimpeln. Alte Raleighs und BSA… und wer kennt schon Bickerton. Ein englisches Faltrad zu dem man schon eine besondere Beziehung braucht um es schön zu finden. Stefan hat gleich mehrere davon und mag das weiche Fahrverhalten. Genau das wird in den Tests des Rades von Mr. Bickerton kritisiert. Harry Bickerton (1922-1994) war eigentlich Flugzeugkonstrukteur. Als er um 1970 seinen Führerschein für einige Zeit abgeben musste und auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen war, nervte es ihn, dass er nur umständlich oder garnicht Fahrräder mit nehmen durfte. Also „ertüftelte“ er ein Faltrad aus dem Material mit dem er sonst wahrscheinlich im Flugzeugbau umging: Aluminium. Einen Schönheitspreis zu gewinnen steht bei vielen britischen Erfindungen nicht gerade im Vordergrund, so wohl auch nicht bei Herrn Bickerton. Klein sollte es nach dem Faltvorgang sein und leicht. Nur knapp 10 Kilo wiegt das Bickerton. Ob es allerdings das Urahn-Faltrad ist, wie eine Radzeitschrift schrieb, sei mal dahingestellt.

Wir reden noch darüber, das Händler wie Sammler das gleiche Problem haben. Es wird immer schwieriger an Räder zu kommen; zumindest zu akzeptablen Preisen.

Unter der Decke hängen nicht nur Rahmen, die auf ihre Wiedergeburt warten sonder auch kuriose alte Kinderräder. Was dort in den Reihen noch wartet, können nur Radbegeisterte ermessen. Stefan sitzt schon wieder auf dem Schemel hinter dem derzeitigen Arbeitsobjekt und weißt mich noch auf den original Raleigh-Reifen hin. Ach ja, und auf die schonen Ausfallenden am fertigen Gitane, das an der Wand hängt. Mein Blick fällt jedoch immer wieder auf das Exemplar mit Schlauchreifen. Darüber werden wir sicher noch einmal sprechen. Und über das Bickerton und das Sparta und…

Ich bin schon raus, wieder in der Passage, nachdem wir uns frohe Weihnachten gewünscht haben. Ich habe zugesagt etwas über das Herrenrad mit dem Löwen auf dem Steuerkopfschild herauszubekommen. Dann muss ich doch noch einmal zurück und meiner Partnerin den Laden zeigen, das Bickerton und das Gitane mit dem Reserve-Schlauchreifen unterm Sattel und ..  Aber nun habe ich den Hamburg-Zufall genug genossen – für heute jedenfalls.

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